Freibad

(Ausschnitt)

Also ehrlich jetzt, wie hätten wir da durchblicken sollen? Wir sind dreizehn!

Wir, Lisa und Sophie, sind Cousinen. Denise war auch dabei. Sie war unsere Freundin. Jetzt redet sie nicht mehr mit uns. Ihr Vater hat es verboten. Dabei hat sie uns die Sache eingebrockt. Sie und ihr Polizei-Onkel.
(...)
Als die Flüchtlinge bei uns im Ort einquartiert wurden, sagte Tante Yola, dass sie den Bürgermeister bewundert, weil er den Mut hat, sich für Schutzsuchende einzusetzen.
Du kannst leicht reden, sagte Opa. In Wien fällt ein Kanake mehr oder weniger nicht auf.
Darauf meinte Tante Yola, dass die Flüchtlinge ihre Heimat verlassen mussten, weil da Krieg ist oder weil es nichts zu essen gibt. Niemand verlässt freiwillig seine Heimat, sagte sie.
Und müssen die ausgerechnet zu uns kommen?, sagte Opa. Die passen nicht zu uns. Er sagte, dass er sich beobachtet fühlt, seit diese Asylanten in der Blauen Nase wohnen. Und dass er sich Sorgen um seine Enkelkinder macht. Vor allem um uns Mädchen.

(...)
Unsere Eltern waren nicht total gegen das Flüchtlingsheim. Unsere Mütter sammelten Kleider und was diese Leute sonst noch brauchten. Sie meinten, Menschen in Not muss man helfen, vor allem Familien mit Kindern, und dass die Flüchtlinge ja nicht ewig bleiben werden. Opa lachte sie aus. Er sagte, der Bürgermeister hätte die Flüchtlinge besser auf seiner Ranch untergebracht. Das Haus des Bürgermeisters in Eiging hat angeblich sechs Schlafzimmer und vier Badezimmer. Der Bürgermeister wohnt da mit seiner Frau und seinem Sohn Andreas.

Am Anfang ließen sich die Flüchtlinge kaum blicken. Hin und wieder gingen ein paar Burschen zum Billa einkaufen. Sie sagten zu allen „Hello“ und trugen die alten Kleider unserer Brüder. Einer hatte sogar ein T-Shirt von Denise an! Sie hatte es nur einmal getragen, weil Robert, einer aus unserer Klasse, sagte, dass sie darin wie eine Knackwurst aussieht. Wir sagten zu Robert, hoffentlich haben sie deine Pullover desinfiziert, sonst kriegen die Leute Maul- und Klauenseuche. Damals war Denise noch unsere Freundin.

In den Sommerferien fuhren wir täglich mit dem Rad am Flüchtlingsheim vorbei. Das ist der sicherste Weg ins Freibad. Es hockten immer ein paar Burschen auf dem alten Fahrradständer vor dem Haus. Sie rauchten und riefen: „Hello!“
Unsere Eltern sagten, dass wir es ihnen auf der Stelle sagen müssen, wenn uns die Flüchtlinge blöd anquatschen. Aber außer „Hello“ sagten sie nichts. Und im Freibad sahen wir keinen von denen.

Anfang August, einen Tag nachdem Andi, der Sohn des Bürgermeisters, ins Spital musste, stand ein Neuer bei den Burschen am Radständer. Er sah aus wie Zayn Malik von One Direction. Sophie wäre fast mit Denise zusammengestoßen, als sie sich nach ihm umdrehte.

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